Kai-Uwe Götz
Fotografie  und Lyrik 


01.12.2023

Ein Plädoyer für die Lyrik

In den letzten Jahren hat sich unser aller Leben in einem nie dagewesenen Maße beschleunigt. Nie zuvor hatten wir so viele Möglichkeiten und so viel Freiheit, nie zuvor so viel freie Zeit wie heute – und doch … es scheint so als ob uns die Zeit wie nichts durch die Finger rinnt. Zeit war schon immer kostbar, doch heutzutage ist es den Menschen bewusster geworden. Und keine Zeit zu haben ist scheinbar zu einem Statussymbol geworden. Wir hetzen durch unser Leben, während sich die Welt im Minutenrhythmus verändert. Bilder und Klänge rauschen an uns vorbei und ein sich immer rasanter entwickelndes Tempo gibt einen Takt vor, mit dem wir kaum noch mithalten können.

Wo bleibt da noch Raum für Lyrik und Poesie? Gedichte zu schreiben und zu lesen, bedeutet in unserer schnelllebigen Zeit fast ein kleines Stück Anarchie und Eigensinn – denn Gedichte brauchen Zeit. Denn schließlich sind sie ein Medium der Langsamkeit, der eher leisen Töne. Sie verweigern sich einem schnellen Verbrauch. So repräsentieren sie genau das Gegenteil von dem, was uns im Alltag umgibt. Die Lyrik bildet einen Widerspruch zur Hektik, zur Atemlosigkeit, zum schnellen und unbefriedigenden Konsum. Nein, sie  macht genau das Gegenteil: sie lädt ein zum Innehalten, zum Nachdenken, sie lässt uns zu sich selbst kommen. Dafür fordert sie Stille, verlangt Aufmerksamkeit und auch Konzentration. Der Nutzen der Lyrik ist ihr literarisches Gegengewicht zu unserer, nicht nur zur Weihnachtszeit, konsumorientierten und überdrehten Welt. Sie unterbricht für einen Augenblick die ewig herrschende Hektik, den ewigen Druck etwas zu verpassen. Sie ermöglicht das wir zu Atem kommen, sie gewährt uns eine Pause. Einen Moment der Entspannung und eröffnet eine Oase für all jene die noch die Stille zu hören vermögen. Sie lässt uns eintauchen in eine Flut von Bildern und beschenkt uns mit einem kontemplativen Erlebnis.

Jenseits vom Zeitgeist folgen Gedichte ihrer eigenen Zeit. Sie halten die Zeit an und treiben sie weiter. Sie gewähren uns einen Blick in die Zukunft und in die Vergangenheit. Sie haben die Macht unsere Perspektive zu verändern. Das machen sie so kostbar. Wenn Ewigkeit und Augenblick, Eindeutigkeit und Mehrdeutigkeit, Traum und Wirklichkeit, das Alltägliche und das Unvorhersehbare, das sich Verlieren und das Aufblitzen von Erkenntnis in einem Moment fallen, dann öffnet sich die Magie der Poesie. Jedes Gedicht ist ein in Worte gefasstes Bild der Welt und der Träume, zugleich ist es aber auch ein Kosmos für sich, den es zu entdecken gilt.

Lyrik ist DIE literarische Gattung der Gegenwart. Denn in Zeiten von Twitter, jetzt X, und Co, in denen die Beiträge immer kürzer werden oder auch nur noch durch Emotions bestehen ist jedes Gedicht wie ein kleines Widerstandsnest gegen den allgegenwärtigen Sprachmüll, den wir täglich in allen Medien begegnen.

Die Poesie ist eine Zauberin, sie ist lässt uns eine innige Umarmung spüren, einen sanften Kuss, ein unerwartetes Lächeln das unseren Tag zu retten vermag, denn ist wahrlich zauberhaft, berührt die Antennen in uns, die wir grundsätzlich alle in uns tragen, es ist nur eine Frage des Zulassens …

In diesem Sinne … wünsche ich Euch eine zauberhafte Adventszeit und Weihnachten …

Admin - 14:37:50 | Kommentar hinzufügen