Kai-Uwe Götz
Fotografie  und Lyrik 


Erschienen in „Schreib-Lust“ Print JG.4 / Ausgabe 14 / von Regina Holz


Kai-Uwe Götz gehört zu den vielseitigen Autoren der Szene. Nach Erscheinen seines ersten Lyrikbandes „Poesie des Todes und andere Lebendigkeiten“ 2003 folgte eine große Anzahl von Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien, er illustriert Bücher, stelle auf der Leipziger Buchmesse seine „Nah-Aufnahmen – Fotografie & Lyrik“ aus, schrieb einen weiteren Lyrikband „Worte in den Wind“ und ist zur Zeit mit seinem dritten Buch beschäftigt. Wie er uns bereits verraten hat gibt es darin auch ein paar Liebesgedichte.

Regina Holz: Kai-Uwe, erstmal herzlichen Dank, dass du dich zum Interview bereit erklärt hast. Sag mal, wie kommt es denn zu einem Liebesgedichtband – wer deine Texte kennt, ist eher „Dunkleres“ von dir gewöhnt?
Der Wunsch nach Liebesgedichten kam von meiner Verlegerin, aber auch seitens vieler LeserInnen, die mir diese Bitte geschrieben haben. Allerdings wird mein drittes Buch nicht nur Liebesgedichte enthalten, sondern mehr Gedichte, die die Stellung unseres übersättigten Selbst in der heutigen Gesellschaft als Thema haben. Um Identitätsprobleme, verbunden mit dem Versuch, ein Gespür für die in uns schlummernden Wurzeln zu wecken, soweit dies überhaupt mit Gedichten möglich ist. Meist handelt es sich dabei ja doch um Selbsterlebtes, Leipziger Buchmesse 2009. Der Arbeitstitel lautet „WurzelWege. Vom Suchen und Finden seiner Selbst“.

Regina Holz: Du schreibst Gedichte, Kurzgeschichten, du fotografierst. Müsste man als Altenpfleger nicht eher schlagfertig sein, statt den Computer zu bearbeiten oder zur Kamera zu greifen?
Das stimmt. Vor allem mit zunehmenden Alter brauche ich auch längere Regenerations-phasen. Ich wollte es lange nicht wahrhaben und es dauerte einige Zeit, bis ich es akzeptieren konnte und seither dementsprechend meine Freizeit einteile. Durch Schicht- und Wochenend-dienste wird das Ganze ja auch nicht gerade leichter. Es bleibt in der Tat nicht mehr viel übrig für das Schreiben und das Fotografieren. Zum Glück endet mein Dienst, wenn ich morgens um 6:00 Uhr beginne, schon um 13:30 Uhr. Nach ein bis zwei Stunden Nichtstun, und wenn ich dann auch noch inspiriert bin, können vielleicht ein, zwei neue Gedichte entstehen. Wenn keine Inspiration fließt, habe ich noch sehr, sehr viele nicht fertige Gedichte, an denen ich „herumfeilen“ kann. Am besten kann ich allerdings schreiben, wenn ich ein paar Tage frei habe, ich genügend Abstand zum Job gewinnen kann und nicht morgens früh aufstehen muss. Seltsamerweise schreibe ich am besten nachts. Keine Ahnung, warum gerade in der Nacht. Es kann nicht an der Ruhe liegen, da ich in einem 200-Seelen-Dorf lebe, wo es immer ruhig ist. Ich bin auch nicht der Mensch, der darüber nachdenkt, wann er am besten schreiben kann. Ich schreibe einfach dann, wenn ich es halt am besten kann und bin dankbar dafür.

Regina Holz: Wie kommst du zu deinen Ideen?
Da gibt es eigentlich nicht so viele Möglichkeiten. Entweder aus Selbsterlebtem oder aus Beobachtung meiner Umwelt und Menschen. Zu Beginn schreibt man im Allgemeinen über Selbsterlebtes, um es zu verarbeiten. Doch irgendwann hat man es verarbeitet und es ist ja auch nicht so, dass Dichter mehr erleben als andere Menschen. Also bleibt einem irgendwann größtenteils nur noch die Beobachtung seiner direkten Umwelt.

Regina Holz: Warum schreibst Du Gedichte, die doch eher eine Nischenform in der deutschen Literatur darstellen?
In erster Linie schreibe ich, weil es einfach eine Notwendigkeit für mich ist und dann auch weil es mir Spaß macht. Und dann gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass die Lyrik wieder in Mode kommen wird. Die Menschen beklagen sich ja immer wieder, dass sie keine Zeit hätten für ein anspruchsvolles Buch und dass sie das sehr bedauern würden. Ich finde, hier kann den Menschen doch mit Lyrik geholfen werden. Für das Lesen eines Gedichtes braucht man nicht so viel Zeit und man hat Stoff genug, wenn es gut ist, den ganzen Tag darüber nachzudenken. Eigentlich spricht alles dafür, dass Gedichte aus diesem Nischendasein herauskommen sollten. Vielleicht fehlt es an einer richtigen Werbestrategie seitens der Verlage. Ich bin überzeugt davon, dass man mit einer guten Kampagne die Auflagen von Gedichtbüchern um ein Vielfaches steigern kann.

Regina Holz: Neben Leipzig auf der Buchmesse und anderen Plätzen hattest du eine Fotografie- und Lyrikausstellung auf dem renommierten Parkfriedhof in Hamburg Ohlsdorf. Was fasziniert dich an Themen wie Sterben, Tod, Friedhöfe, Magie und Esoterik?
Ist man Altenpfleger von Beruf, kommt man automatisch mit dem Tod und dem Sterben in Berührung. Zu Beginn meiner Tätigkeit war die HIV-Welle auf ihren Höhepunkt. Der ambulante Dienst bei dem ich damals tätig war hatte seine meisten zu pflegende Menschen in Hamburg auf St.Pauli direkt im Milieu. Viele junge Prostituierte musste ich in ihren Tod begleiten. Und da es damals noch keine Medikamente oder eine Therapie gab, war das Sterben sehr qualvoll. Irgendwann kam dann bei mir der Zeitpunkt, dass ich keinen inneren Antrieb mehr besaß, weil ja doch alles, früher oder später, im Tod enden würde. Das war der Zeitpunkt, an dem ich anfing, den Tod in meinen Gedichten zu thematisieren. Als Resultat entstand mein erstes Buch „Poesie des Todes und andere Lebendigkeiten“. Ich kam zu dem Standpunkt, dass unser eigener Tod ein sehr wichtiger Ratgeber in unserem Leben ist. Er hilft uns zu unterscheiden, was wichtig in unserem Leben ist. Er rät uns letztendlich zum Leben an sich. Zu einem intensiven, bewussten Leben.
Heutzutage ist die Esoterik, nach der klassischen Übersetzung (Geheimlehre, nach innen gerichtet) ja gar nicht mehr vorhanden, vielmehr muss man heute von einer Exoterik (nach außen gerichtet) sprechen, denn was sich heute so alles auf den Markt tummelt, ist nicht mehr überschaubar. Esoterik ist zu einem Gebrauchsartikel geworden: man kauft einen Kurs, eine Methode, einen Gegenstand oder eine Behandlung und erwartet davon eine günstige Beeinflussung. Ich bin vom Sternzeichen Skorpion. Denen sagt man sowieso einen Hang zum Morbiden und Geheimnisvollen nach. Deswegen wohl mein Interesse an Magie und Esoterik. Ich bin einfach fasziniert von den Dingen jenseits der Wissenschaft, die zwischen Himmel und Erde sind. Gerade wenn man sich mit seinen eigenen Wurzeln beschäftigt, führt der Weg weit, weit in die Vergangenheit zurück. Für unsere Vorfahren war die Welt voller Magie und selbst als Kinder war Magie noch selbstverständlich. Und eines weiß ich ganz gewiss: Die entmystifizierte Welt der Erwachsenen ist keine bessere Welt.

Regina Holz: Was hältst du von Internetforen?
Vor fünf, sechs Jahren habe ich mich ebenfalls auf Internetforen herumgetrieben, auch um meine Bücher zu bewerben, was sogar einigen Erfolg hatte. Doch ich finde, dass das Niveau der Beiträge gerade in den letzten zwei, drei Jahren erheblich nachgelassen hat. Sicher, die Foren haben die Art sich mitzuteilen entscheidend verändert, doch Diskussionsbeiträge haben aufgrund der geringen Mühe, die ihre Übermittlung kostet, zu einer Entwertung der Inhalte geführt. Angesichts immer mehr unreflektierter Äußerungen macht sich Frust und Ernüchterung breit. Spätestens ab diesem Zeitpunkt habe ich mich von der Forenwelt zurückgezogen, denn das eigentliche Anliegen der meisten User besteht doch darin, unter dem Vorwand inhaltlicher Auseinandersetzung andere zu Reaktionen zu nötigen, und jeder behauptet doch nur seine Welt, seine Weltsicht. Auffallend ist das Missverhältnis zwischen der Belanglosigkeit der Inhalte und der affektiven Beteiligung, mit der diese vorgetragen werden. Viele Texte lesen sich, als seien sie in die Luft gesprochen. Es gibt keine wirklichen Adressaten, auch wenn sich die Absender gegenseitig ansprechen oder auf Äußerungen reagieren. Es fällt auf, dass in Foren wirkliche Fragen an die Angesprochenen fast vollkommen fehlen und so fallen dann auch die Antworten aus. Was mir noch aufgefallen ist, ist, dass je schneller ein Medium, umso mehr scheint der Inhalt an Bedeutung zu verlieren. Das Verschicken und Empfangen von Botschaften auf elektronischem Weg hat aufgrund der wenigen Mühe die es macht zu einer Entwertung der Botschaften geführt. Die Mühe, einen Brief zur Post zu tragen, erfordert nicht nur eine gewisse Anstrengung, die damit verknüpfte zeitliche Verzögerung schafft auch Abstand des Schreibenden zu sich selbst. Wenn man einen Brief per Hand schreibt, hat man die Zeit, auch über sich selbst nachzudenken, er war ebenso sehr an sich selbst wie an einen anderen gerichtet. In der Forenwelt ist heutzutage bedauerlicherweise nur bei den wenigsten Teilnehmern diese Art von Selbstreflexion zu erkennen.

Regina Holz: Schreib-Lust wünscht dir alles Gute auf deinem Weg und dankt noch mal ganz herzlich für das interessante Interview.