Kai-Uwe Götz
Fotografie  und Lyrik 


Erschienen auf  www.La-Poetrice.de

Silke Klaassen: Lieber Kai- Uwe Götz, Du bist Altenpfleger und durch die Erzählungen alter Menschen
hast du das Zuhören gelernt. Durch die Begleitung von Sterben bist du dem Tod oftmals begegnet.
Welches Erlebnis prägte dich am eindringlichsten?
Ich hatte einmal einen 96jährigen vier Jahre lang gepflegt. Wie ich ihn kennenlernt war er schon acht Jahre bettlägerig. Erstaunlich war, daß dieser Mann kein Fernsehen sah nur einmal am Tag für eine Stunde Radio hörte. Seine einzige Art der Unterhaltung waren das Vorlesen aus Büchern von seiner Tochter und die Gespräche mit Ihr und seinem Pfleger, also mir. Und dennoch sah er für sich einen Sinn in seinem Leben, auch in seiner Situation. Und er strahlte eine unbändige Lebensfreude aus. Das beeindruckt mich immer wieder, wenn ich an ihn zurück denke.
Aber es gibt auch negative. Zu Beginn meiner Tätigkeit war die HIV-Welle auf ihren Höhepunkt. Der ambulante Dienst bei dem ich damals tätig war hatte seine meisten zu pflegende Menschen in Hamburg auf St.Pauli direkt im Milieu. Viele junge Prostituierte musste ich in ihren Tod begleiten. Und da es damals noch keine Medikamente oder eine Therapie gab, war das Sterben sehr qualvoll.

Silke Klaassen: Deine Erlebnisse werden zu Gedanken, deine Gedanken zu geschriebenen Worten. Könntest du ohne deinem vielseitigen Schreiben sein?
Ich würde irgendwie existieren ohne mein schreiben. Leben würde ich es allerdings dann nicht nennen.


Silke Klaassen: Was verbindet dich mit dem Wort „Weltfremd“?
Ich fühle mich der heutigen Welt fremd. Sie ist mir fremd geworden, in ihrer Schnelllebigkeit, ihren Werten, bzw. Nicht-Werten, sozialer Kälte und noch viele Dinge mehr, die mir in der heutigen Welt fremd sind. Was mich aber in keinster Form traurig macht oder verzweifelt sein lässt. Im Gegenteil, wenn ich mit der heutigen Welt verbunden fühlen würde, wäre kein Gedicht entstanden, wäre ich nicht der, der ich bin – und ich bin recht gerne so wie ich bin.

Silke Klaassen: Woher kam die Titelgebung zu deinem neuen Buch  „Poesie des Todes und anderes Lebendigkeiten“?
Dieser Titel bot sich einfach an, war einfach da und, wie ich finde, äußerst passend, da ich den Tod durchaus mit Lebendigkeit in Verbindung bringe.

Silke Klaassen: Einer deiner wichtigsten Begegnungen der Poesie ist ... ?
Die Begegnung mit mir selbst.

Silke Klaassen: Du schreibst zeitkritische Gedichte. Woher nimmst du den Mut für die Worte aus deiner Seele?
Ich finde, wenn man Gedichte veröffentlicht, dann darf man nicht nur eine Nabelschau erscheinen lassen. Man hat als Autor auch Verantwortung und mit dem Veröffentlichen eine effektive Form der Einmischung. Ich finde es nicht mutig, ich empfinde es eher als, wie schon gesagt, als Verantwortung eines Autors.

Silke Klaassen: Wann und wo schreibst du am liebsten?
Allein und abgeschieden. Darum ziehe ich auch demnächst auf das Land um noch zurückgezogener Leben zu können.

Silke Klaassen: Wie fühlst du dich, wenn du ein fertiges Buch in den Händen hältst?
Es erfüllt mich natürlich auch ein wenig mit Stolz. Aber ich fühle dann auch immer eine Aufbruchstimmung für etwas Neues.

Silke Klaassen: Warum ist die „dunkle“ Lyrik eine ganz besondere Art des Ausdruckes für dich?
Ich finde sie gar nicht mal so dunkel – ganz im Gegenteil.

Silke Klaassen: Welche Fremdlyrik begeistert dich am stärksten?
Hermann Hesse, Rainer-Maria Rilke

Silke Klaassen: In deinen Bücherregalen steht Literatur von ...?
Fast alle Klassiker der Romantik, sehr viel Fantasy und historische Romane, Bücher über das alte Ägypten, Mittelalter, Geschichte allgemein, Soziologie, Philosophie, Psychologie, Parapsychologie, Medizin, Photographie, Kunst, jede menge Bücher über den Tod und das Sterben, Magie, Esoterik, Astrologie – das sind so die Themen die am stärksten vertreten sind.

Silke Klaassen: Dein Lebensmotto lautet?
Leben und leben lassen.

Silke Klaassen: Welche Farben spiegeln dich wider?
Alle

Silke Klaassen: Siehst du dich auch als „Poet des Todes“?
Ich sehe mich als jemanden der das Tabu um den Tod abschaffen möchte, also könnte man es so sagen.

Silke Klaassen: Deine Brust erhebst du voller Stolz über ...?
Voller Stolz erhebe ich meine Brust über gar nichts. Ein bisschen stolz bin ich auf das was ich innerhalb meines künstlerischen Arbeitens geschafft haben.

Silke Klaassen: Angst hast du vor ...?
Demenz

Silke Klaassen: Peinlich ist dir ...?
Streit zweier mir bekannten Personen miterleben zu müssen.

Silke Klaassen: Arbeitest du gut unter Terminstress?
Ich lasse es erst gar nicht zu.

Silke Klaassen: Du bist Autor, Lebenskünstler und ...?
Einfach Mensch


Silke Klaassen: Erfolg heißt für dich ...?
Harte Arbeit, Durchhaltevermögen und wieder harte Arbeit.

Silke Klaassen: Dein Leben würdest du für ... riskieren?
Für mir nahestehende Menschen, oder Menschen in Not, wenn ich z.B. einen Unfall am Straßenrand mit erleben würde.

Silke Klaassen: Was reizt dich daran, deine lyrischen Werke mit Fotografien zu ergänzen?
Die Aussage die möglich ist, die Harmonie die man mit Wort und Bild schaffen kann.

Silke Klaassen: Wie fühlt man sich, wenn eigene Ausstellung z.B. auf der Leipziger Buchmesse vorzufinden ist?
Als Künstler ernst genommen zu werden

Silke Klaassen: Geld bedeutet für dich ...?
Unabhängigkeit

Silke Klaassen: Ein Blinder fragt dich nach deinem Äußeren. Wie beschreibst du dich?
Ich lasse ihn mit seinen Hände sehen

Silke Klaassen: Welche Zukunft haben deine Gedichte?
Das kann ich beim besten Willen nicht sagen aber ich wünsche mir, dass sie überleben.

Silke Klaassen: Beschreibe deine Höhe- und Tiefpunkte, in deiner Karriere als Autor!
Der absolute Höhepunkt war das Erscheinen meines ersten Buches, aber dies ist wohl bei jedem Autor so. Kleine Tiefpunkte sind immer wenn ein Gedicht für eine Anthologie nicht angenommen wird.

Silke Klaassen: Deine Pläne für die Zukunft sind ... ?
lieben, reisen, fotografieren, schreiben

Silke Klaassen: Dein Lieblingsgedicht von dir selbst ...:


Die wilde Jagd


Aus zwielichtigem  Moore
Dringt ein Nebel heimlich
Zerfetzt von Unterholz
In die nächtlich stille Stadt
Durch gespensterhafte Schwaden
Klingt es leis und unheimlich
Als der Kirchturmglockenschlag
In die leeren Straßen hallt

Horch, es zittern die Zweige
Grad zu dieser vollen Stunde
Mittnacht
Und es ergreift dich etwas
Gleich einem Schauer ärgsten Windes
Der dir durch die Glieder jagt

Fast, als wär es mehr als Ahnen
Unheilvoll und unvergleichlich
Schlägt es in deiner Brust
Und stöhnt und schallt
Kurz und bange
Dann verharrend
Lauschst du  erbleichend
Ist doch nichts als dunkle Stille
Nur der Wind heult
Aus dem Moor

Durch leere Straßen
Jenes jammervolle Klagen
Aus schmerzgewohnter Brust
Es ersteigt sich
Hoch hinauf zum schwarzen Himmel
Zu den dunklen Pforten dieser Nacht
Etwas beseeltes zerreißt den Schleier

Der sein Reich begrenzt hat und bewacht
Schwarzgeballte Wolkenfluchten
Ziehen eilig
Tief erdrückend
Von Geisterhand gejagte
Gottverlassene Beute rasch
Von Norden her
Von der ewigen Winternacht
Ausgesandt ziehen sie dahin
Und drohen nur

Hinfort Hinfort
Als das heulende Verlangen
Durch des Sturmes Saat hereinbricht
Dröhnt es dumpf in stille Täler
Über Moor und Wald
Durch deine stillen Straßen
Donnernd birst es in deiner Seele
Was verhüllt erschien

Es dich nun ereilt
Blinder Tor, der du gewesen
Heute, heute wird es sein
Hättest du doch gewusst
Was jetzt zu spät ist
Unausweichlich  grauenvoll
Des Teufels holde Nacht der Toten

Bricht nun herein
Bewache deine Seele,
Noch ahnungsloser Geist
Denn des  Jäger Ziel bist du
Was immer war
Das „Von nun an sei“
Es stirbt und kehrt nicht mehr heim
Heut ist ein Tod zu dir gekrochen
Er sticht und setzt dir zu
Die Mittnacht hat an dir gerochen
Und in dir wächst ihr Keim

Denn diese Nacht der Toten ist
Was du nur leise ahnst
Beseelt von deinem Nichtwissenwollen
Es lebt und keimt der Tod in dir
Dein ewiger Abgrund naht
Du trägst nun ihre bittere Frucht
Und dunkel ist sie dir
Erschreckend willst du weichen
Vor ihrer Gier

Und weil du weichst
Umfängt sie dich
Sie nennt dich Opfer ihrer Jagd
Denn hat sie einmal dich erblickt
Und fliehst du -
Bist du schon erspäht
Verfluche nicht die Todessaat
Denn du bist der, der sie gesät
Von allzu heißer Lebensgier umweht


So sei es also, dass du entgleitest
Mithin im Sturme dieser Jagd
Dem Tod geweiht als Geist im Geiste
Der Säer deiner dunklen Saat
Und weiter rüttelt der Wind
An dunkle Pforten in dieser Nacht
Er wird sie niederreißen
Die Seelenschleier der Menschheit
Drum betet
Wer für das Beten gemacht


Silke Klaassen: Lieber Kai Uwe Götz, ich bedanke mich für dieses interessante Interview und wünsche dir von ganzen Herzen weiterhin sensationelle lyrische und fotografische Erfolge! Vielen lieben Dank auch für die Erlaubnis und die Mitarbeit zu diesem Interview.

Herzlichst

* Silke Klaassen- Boehlke *